Zum Hauptinhalt springen

„In Politik und Gesellschaft befindet sich alles im Fluss“

Durch seine Geschichte, geografische Lage und Funktion als Schnittstelle von wichtigen Verkehrswegen wurde Straßburg nach dem Zweiten Weltkrieg ein Zentrum für die neu eingerichteten europäischen Institutionen. 1949 kam der Sitz des Europarats hinzu und 1958 schließlich die Europäische Parlamentarische Versammlung, welche im Laufe der Folgejahre tiefgreifende Veränderungen erfahren hat: Aus einer Versammlung von ernannten Mitgliedern wurde ein gewähltes Parlament. Dieses politische Gestaltungsorgan repräsentiert heute rund 450 Millionen EU-Bürger. Es setzt sich aus 705 Abgeordneten zusammen, die jeweils auf fünf Jahre gewählt werden.

Die neunte Klassenstufe der GWRS Villingendorf folgte nun einer Einladung des Abgeordneten Andreas Schwab (EVP-Fraktion) nach Straßburg. „Im Vergleich zum Stuttgarter Landtag beeindruckt das Gebäude aus Glas und Metall bereits durch seine schiere Größe“, sagte Timm Suttarp, der zusammen mit seinem Kollegen Torsten Zühlsdorff die Jugendlichen begleitete. Die großen Glasflächen sollen dabei die Transparenz der Europäischen Union symbolisieren. Einem als elliptischer Ring konstruierten Turm fehlen in Richtung des Straßburger Münsters scheinbar einige Elemente, was darauf hinweisen soll, dass sich das europäische Haus im ständigen Aufbau befindet. Durch die verschiedenen Gebäudeteile zieht sich ein „Wasserlauf“ aus kleinen Schieferplatten. „Eine weitere Symbolik“, wie die Schüler später von Schwab erfuhren, „in Politik und Gesellschaft befindet sich alles im Fluss“.

Die Schüler konnten sich zunächst einen Eindruck von den Innenräumen machen: 1133 Büros, 18 Sitzungssäle, große Medienbereiche für Interviews und Berichterstattung sowie der riesige Plenarsaal mit einem Fassungsvermögen von 750 Plätzen. In einem Raum für Ausschusssitzungen kam es dann zur Begegnung mit Schwab. Weit gefächerte Fragen der Jugendlichen lenkten dabei die Gesprächsinhalte. Kurz zuvor hatten sich die Besucher im „Parlamentarium“ des Hauses mithilfe einer dynamisch-interaktiven Ausstellung mit der Rolle des Europaparlaments vertraut gemacht. Während des lebhaften Austausches führte Schwab Erklärungen zur Arbeitsweise des Parlaments, seinen persönlichen Verpflichtungen und zu aktuellen politischen Themen aus. Ein gemeinsames Foto vor den Flaggen aller 27 Mitgliedsstaaten rundete diese Begegnung schließlich ab. 

Im Anschluss fuhren die „9er“ auf Rolltreppen an Medienbereichen vorbei in den großen Plenarsaal. „Da ist gerade der Meuthen interviewt worden“, teilte eine Schülerin mit. Tatsächlich waren zeitgleich einige Scheinwerfer und Fernsehkameras auf Abgeordnete gerichtet, die sich den Fragen von Journalisten stellten. Auf der Besuchertribüne folgten die Schüler einer laufenden Debatte, bei der es um das Verhältnis der EU mit China ging. Über Kopfhörer konnte die Simultanübersetzung der Redebeiträge verfolgt werden. „Spannend“, bemerkte einer der jungen Besucher, „teilweise gibt es bei den Meinungen große Unterschiede“. Politik sei halt auch immer ein Ringen um den besten Weg, bei dem zwingend nach Kompromissen gesucht werden müsse (Schwab). Diese Erkenntnis fand hier im großen Rund des Sitzungssaals eine parlamentarische Bestätigung.

Nach einem ereignisreichen Vormittag durften die Schüler dann auf eigene Faust Straßburg erkunden. Das Münster, das alte Gerberviertel „Petit France“, pittoreske Kanäle und diverse Einkaufsmöglichkeiten sorgten für einen schönen Abschluss dieser Exkursion.