„Crazy: Wir wollen Frieden, ziehen aber in den virtuellen Krieg!“
Projekt zum Volkstrauertag: Villingendorfer „10er“ präsentieren Ergebnisse
Der Volkstrauertag war Anlass für ein mehrteiliges Projekt, bei dem sich die Schülerinnen und Schüler aus Klassenstufe 10 intensiv mit dem Thema „Krieg“ auseinandergesetzt haben. Kriege sind leider nach wie vor eine traurige Realität. Dennoch scheinen wir aus Leid, Tod und Zerstörung nicht angemessen zu lernen. Die Jugendlichen waren in selbstgewählten Arbeitsgruppen aktiv – am Freitag der letzten Woche präsentierten sie ihre Ergebnisse.
Zunächst wurden dabei die verschiedenen Motive für militärische Operationen beleuchtet. Im Prinzip könne man dabei zwei wesentliche Faktoren erkennen: Geld und Macht. Die Jugendlichen zeigten anhand ausgesuchter Beispiele, dass es immer auch Personengruppen und Wirtschaftszweige gebe, für die Krieg ein überaus lukratives Geschäft sei. Und Machthaber, die ihren Einflussbereich ausbauen wollen, hätten wohl kaum gesteigertes Interesse an einem ergebnisoffenen Prozess im Rahmen der Diplomatie. Machtgier, Egoismus und das gezielte Schüren von Hass stünden meist am Anfang von Waffengängen. Ganz gleich, ob das Ringen um Ressourcen, das Durchsetzen von eigenen Interessen, religiöse Motive oder politische Ideologien der Antrieb zum Handeln seien – der Einsatz von Gewalt scheine wohl als verlockender Weg wahrgenommen zu werden, wenn man die eigenen Streitkräfte im Vorteil sehe.
Chirurgisch präzise Miltärschläge, die ohne weitere Folgen eine Gefahr beseitigen, gebe es nur in der Berichterstattung mancher Medien. Krieg ziehe zwingend Zerstörung, körperliche Verstümmelung, unfassbares Leid, Mangel, Seuchen, Tod, Vertreibung, Pogrome, Verluste, Flüchtlingsströme, unmenschliche Brutalität sowie psychische Not nach sich. „Wir sind schon überrascht, wie Teile der Politik und der Medien den Krieg verharmlosen“, sagte einer der Referenten. Gerade mit Blick auf die Ukraine sei es auffällig, dass alle, die von einer international gestützten Diplomatie zwischen den Kontrahenten nichts wissen wollen, vom derzeitigen Krieg in keiner Weise betroffen seien. „Das Sterben geht weiter, die Gewaltspirale dreht sich und der EU fällt nichts Anderes ein, als Waffen zu liefern?“, fragte ein Mädchen. Der Krieg werde einmal mehr verbrannte Erde und traumatisierte Menschen hinterlassen. „Wie bereits seit Jahrtausenden in der bisherigen Menschheitsgeschichte“.
Warum greifen wir Menschen aber trotzdem immer noch zu den Waffen, obwohl uns die Historie eigentlich eines Besseren belehren müsste? Die zuständige Arbeitsgruppe führte zunächst eine mangelnde Empathie ins Feld. Oft könnten Menschen nur schwer nachvollziehen, wie schrecklich und traumatisierend Kriege tatsächlich sind, wenn sie selbst nicht unmittelbar betroffen seien. Zudem gaben die Jugendlichen zu bedenken, dass Machthaber, die einen Krieg befehlen, selbst nie an vorderster Front kämpfen und in der Regel auch keinen Mangel leiden müssten. Tod, Leid und Verderben beträfen stets „nur“ andere Menschen. Zudem würden viel zu oft dubiose Kräfte im Hintergrund ihre Fäden ziehen. Macht- und Geldinteressen seien wohl keine gute Grundlage für das Streben nach Frieden. Eine wirklich ernüchternde Erkenntnis.
Und setzen wir unserer Unfähigkeit, Konflikte auf Dauer nachhaltig und friedlich zu lösen, nicht noch die Krone auf, wenn wir uns von der digitalen Unterhaltungsindustrie auch noch Spiele verkaufen lassen, bei denen wir nur dann Erfolg haben, wenn wir mit Waffengewalt möglichst viele Gegner eliminieren? Nahezu alle 10er beschäftigen sich während ihrer Freizeit auch mal mit solchen „Ballerspielen“. Moderne PC-Spiele bieten ein intensives Erlebnis, das es den Nutzern erlaubt, in eine virtuelle Welt mit den neuesten Waffentechnologien einzutauchen. „Nervenkitzel pur“, merkte ein Schüler an. „Und das völlig ohne eigenes Risiko!“ Zudem seien Spannung sowie Herausforderung von Kriegsspielen nicht zu unterschätzen. Die virtuellen Aktivitäten könnten emotionale Reaktionen hervorrufen und den Spielern eine Möglichkeit bieten, ihre strategischen Fähigkeiten zu testen. Besonders, wenn man sich zusammen mit Freunden den Herausforderungen stelle, seien Spannung und Aufregung kaum noch zu toppen: „Die Zeit vergeht dann wie im Fluge“. Und ja – die Jugendlichen könnten sehr wohl zwischen fiktiver und realer Gewalt unterscheiden. Nur weil jemand Fortnite oder ähnlich gewalttätige Formate spiele, müsse es im richtigen Leben nicht automatisch zu einer Befürwortung von kriegerischen Ansätzen kommen. Während der Erarbeitung seien einige Gruppenmitglieder aber dann doch ins Grübeln gekommen: „Schon irgendwie crazy, dass wir in Frieden leben wollen, aber während unserer Freizeit in den virtuellen Krieg ziehen“.
Fazit: Am Schluss bestand Einigkeit darin, dass der Volkstrauertag eine wichtige Funktion habe. Nur durch die ernsthafte Suche nach friedlichen Lösungen könnten Kriege zukünftig vermieden werden. Gleichzeitig sei es wichtig, das Phänomen der Freude an virtuellen Kriegsspielen zu verstehen. Eine kritische Auseinandersetzung könne dazu beitragen, ein größeres Bewusstsein für die Auswirkungen von Krieg zu schaffen. Der Einsatz für eine friedliche Zukunft müsse stets im Mittelpunkt der realen Bemühungen stehen. Schulprojekte, wie jetzt im Vorfeld zum Volkstrauertag, könnten ebenfalls einen sinnvollen Beitrag leisten.