Künstliche Intelligenz zieht im Alltag ein
Prof. Dr. Matthias Haun ist als Geschäftsführer eines global agierenden Unternehmens für die Entwicklung intelligenter Lösungen und deren Einführung bei Kunden aus unterschiedlichen Branchen verantwortlich. Zusätzlich engagiert er sich in Forschung und Lehre für Kognitive Kybernetik an der Hochschule Offenburg. Haun möchte Maschinen, Produktionsstätten und Organisationen zu lernenden sowie vorausschauenden Systemen weiterentwickeln. Insgesamt verfügt er über 30 Jahre Erfahrung in der Entwicklung intelligenter Systeme. Vor Lehrern, Schülern, Azubis und Wirtschaftsvertretern referierte er nun auf Einladung der gemeinnützigen Genossenschaft „Campus Schule-Wirtschaft“ im Rottweiler Kapuziner.
Ob Künstliche Intelligenz (KI) ein bahnbrechender Fortschritt ist, der unser Leben vereinfacht und die menschliche Zivilisation revolutionär nach vorne bringt oder ob sie die letzte große Erfindung kluger Köpfe sein wird, ist selbst unter Experten eine kontrovers diskutierte Frage. Unsere Vorstellungen der „Deep-Learning-Algorithmen“, die immense Datenmengen verarbeiten, um Strukturen erkennen zu können und dadurch in der Lage sind, eigene Entscheidungen zu treffen, gehen weit auseinander.
Fakt ist, dass KI schon längst Eingang in unseren Alltag gefunden hat. Wenn beispielsweise ein Nutzer Beiträge auf seinem Social Media Profil postet, analysieren Algorithmen sämtliche Hashtags und die Rückmeldungen der Leser. Das System schlägt dann weitere Beiträge vor, die den Nutzer interessieren könnten und ordnet sie in Werbekategorien ein. Durch den intensiven Umgang mit Social Media habe der Mensch bereits einen positiven Zugang zur KI gefunden, so Haun. Die großen Chancen sehe er in den Bereichen Mobilität, Kommunikation, Medizintechnik, Pflege und Bildung. So sei die häufigste Unfallursache im Straßenverkehr weiterhin menschliches Fehlverhalten. Fahrzeuge mit KI-Technik könnten im Vergleich zu „organischen“ Fahrern viel mehr Informationen wahrnehmen, blitzschnell verarbeiten und in anlassbezogene Sofortreaktionen umsetzen, sodass die Zahl kritischer Situationen drastisch reduziert werden könne. Und bei komplexen medizinischen Diagnoseverfahren sei man heute schon ohne KI-Unterstützung gar nicht mehr zielführend handlungsfähig. Entsprechend sollten Maschinen immer mehr zu einem selbstverständlichen Gegenüber werden. Angesichts der existenzbedrohenden globalen Probleme wie Klimawandel, mutierenden Krankheitserregern und Leben auf engstem Raum in urbanen Bereichen, bliebe der Menschheit auch gar nichts anderes übrig. Haun zeigte sich von den positiven Möglichkeiten, die sich aus der Weiterentwicklung von KI ergeben, sichtlich fasziniert.
Allerdings dürfe man aber nicht die Schattenseiten dieser Technologie ausblenden – die KI könne auch ein gefährliches Werkzeug sein. „Wie die vielfältigen Möglichkeiten eingesetzt werden, entscheiden diejenigen, welche die Kontrolle darüber besitzen“, betonte Haun. Er warnte deshalb vor dem gewinnorientierten Einfluss großer Wirtschaftskonzerne, die momentan bei der Forschung dominierend seien. Sie alleine könnten entscheiden, für welche Zwecke sie KI-Systeme entwickeln. Deshalb sei es wichtig, dass öffentlich über den Umgang mit dieser Technologie gesprochen wird: „Ich denke, dass wir nicht alles, was technologisch möglich ist, auch umsetzen sollten“, appellierte Haun. Junge Menschen müsse man zu einer kritischen Reflexion ihres medialen Alltags anleiten. Zahlreiche Rückfragen aus dem Plenum zeigten, dass Pädagogik, Erziehung und Alltagskognition mit der rasch fortschreitenden KI-Entwicklung nicht einmal ansatzweise Schritt halten können. Wie sich unsere Gesellschaft verändern wird, wisse heute noch niemand, räumte Haun am Ende ein.